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E-Mail.

Edmund Schönenberger

Beschwerde, Ziffer: 1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21

 

Auszug aus EMRK               Der “fürsorgerische“ Freiheitsentzug              Bundesverfassung...

 
Musterbeschwerde Psychex
 
www.psychex.org
24. Dezember 1989
Postfach 129, 8153 Rümlang

 

 

Psychiatrische Gerichtskommission

Obergericht

8023 Zürich

 

 

In Sachen

  Hans Meier, Psych. Anstalt, 8462 Rheinau

  verteidigt durch uns

 

gegen

  Psych. Anstalt Rheinau

 

 

betr. Art. 5 Ziff. 4 EMRK

 

begründen wir die folgenden Anträge und Rügen mit dem

 

Hauptantrag auf

Entlassung:

 

l. Unsere Klientschaft ist mittels vorsorglicher Verfügung sofort auf freien Fuss zu setzen. Wie im folgenden dargestellt, existiert ein rechtstaatliches Verfahren im Bereich des zivilrechtlichen Freiheitsentzugs nicht. Jeder Zwangsaufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt erscheint zusammen mit den heute dort praktizierten Zwangsbehandlungen als widerrechtlich.

 

 

2. Art. 5 Ziff. 1 EMRK, Art. 58 BV und Art. 397b Abs. 2 ZGB* sind verletzt worden.

 

*wesentliche Bestimmungen siehe Anhang - hier

 

Art. 397b Abs. 2 ZGB räumt den Kantonen die Möglichkeit ein, die Kompetenz zur Einweisung sogenannt psychisch kranker Personen einer "geeigneten Stelle" zu übertragen. Davon hat der Kanton Zürich Gebrauch gemacht und eine Privatperson, nämlich einen Arzt, für die Einweisung und die damit verbundene Festnahme als zuständig erklärt. Indessen leuchtet sofort ein, dass eine Privatperson - auch wenn sie Arzt ist - unmöglich die geeignete Instanz sein kann, wenn man bedenkt, dass die Einschliessung eines Menschen die schärfste Sanktion überhaupt darstellt. Mit der gleichen Logik könnte man jeden Anwalt für die Verhaftung von Straftätern zuständig erklären. Wie beim Strafrecht muss die zivilrechtliche Einschränkung der Freiheit durch einen unabhängigen Richter angeordnet werden. Gründe, warum die psychiatrisch Verfolgten weniger zu schützen seien, als die strafrechtlich Verfolgten, sind keine ersichtlich.

 

 

Da die Einweisung durch eine Privatperson jedenfalls ungesetzlich und damit unrechtmässig ist, wird das angerufene Menschenrecht gebrochen.

 

 

(Sofern der Betroffene durch seinen behandelnden Arzt oder Hausarzt eingewiesen worden ist, ergibt sich die folgende Ergänzung: Dieser Sachverhalt ist vergleichbar mit jenem eines Straftäters - beispielsweise eines Einbrechers - welcher seinen Anwalt aufsucht, sich in einer Steuerangelegenheit beraten lässt und gleich auch noch seine letzte Einbruchsserie aufs Tapet bringt. Der Anwalt greift zum Telefon, bestellt die Sanität oder die Polizei und lässt seinen Klienten noch nicht einmal zum Ankläger oder Strafrichter, sondern direkt ins Gefängnis abtransportieren! Es ist klar, dass die behandelnden Ärzte - gleich wie Anwälte - strikt ans Berufsgeheimnis gebunden sind.)

 

 

3. Die unrechtmässige Festnahme stellt gemäss Art. 183 StGB eine Freiheitsberaubung dar. Nach einem allgemeinen Grundsatz schützt Nichtwissen vor Strafe nicht. Der objektive und subjektive Tatbestand erscheint in der vorliegenden Sache als erfüllt: Ein Arzt (evtl. Hausarzt) liess unsere Klientschaft gegen ihren Willen in die Anstalt einweisen. Diese Einweisung erfolgte vorsätzlich. (Ausserdem verletzte der Arzt mit seiner Aktion das Arztgeheimnis). Die Akten sind daher der Strafuntersuchungsbehörde zur Eröffnung eines Verfahrens zu überweisen. (Zuhanden dieser Behörde wird hiermit auch Strafantrag wegen Verletzung von Art. 321 StGB gestellt.) Die Tatsache, dass sich der Arzt auf Rechtsirrtum berufen wird, ändert nichts an einem Schuldspruch. Der Richter kann höchstens die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung Umgang nehmen (Art. 20 StGB).

 

 

4. Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK, Art. 4 BV, Art. 397a und Art. 397f Abs. l ZGB sind verletzt worden.

 

Nach dem etwas holprigen Text des Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK "darf einem Menschen (die Freiheit) nur ... entzogen werden, wenn er sich in rechtmässiger Haft befindet, ... weil er geisteskrank ... ist". Aus diesem Text folgt klar, dass eine Geisteskrankheit bereits vor der Verhaftung feststehen muss (im Gegensatz zur U-Haft im Strafrecht, wo der hinreichende Tatverdacht genügt (Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK)). Jeder psychiatrischen Verhaftung ist daher ein Verfahren vorzuschalten, welches den zwingenden Beweis für eine Geisteskrankheit liefert.

 

 

Noch vorher ist allerdings die Frage aufzuwerfen, ja was ist denn das, eine Geisteskrankheit? Wir landen alsogleich mitten im Dschungel! Die Antwort, die noch am einfachsten erscheint, ist jene, dass es so viele bzw. so wenige Geisteskrankheiten wie Köpfe von Psychiatrieärzten gibt.

 

 

Es ist hier nicht der Ort, die Frage zu klären, sondern es ist von der herrschenden Realität auszugehen, wonach gewisse Ärzte und mit ihnen gewisse Richter genau angeben können, was eine Geisteskrankheit sei. Damit ist die Schlacht allerdings noch nicht verloren. Immerhin kommen auch die Verfechter der Zwangspsychiatrie nicht an der Tatsache vorbei, dass auf eine Geisteskrankheit erst geschlossen werden kann, wenn das ganz bestimmte Verhalten, die ganz bestimmten Äusserungen, die ihrer Meinung nach die Geisteskrankheit eines Menschen ausmachen, hieb- und stichfest gesichert sind. Das zwingt sie, sehr präzise zu werden! Sie müssen forschen und suchen!

 

 

Als Minimalbedingung einer solchen Untersuchung ist das rechtliche Gehör zu nennen, das dem "zukünftigen" Geisteskranken gewährt werden muss. Zu Aussagen kann er allerdings nicht verpflichtet werden, da ihm ein im Menschenrecht auf Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) verankertes Schweigerecht zusteht. Es gilt auch in den weiteren Stadien des Verfahrens. Die Aussageverweigerung darf - gleich wie im Strafrecht - keine Rechtsnachteile nach sich ziehen. Der Betroffene ist auf dieses Recht hinzuweisen. Schlag auf Schlag haben die Einvernahmen der die Einweisung verlangenden Personen zu folgen. Da in der Regel bei den beteiligten Streithähnen Aussage gegen Aussage steht, müssen Dritte ausfindig gemacht und über ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen einvernommen werden. Das gilt auch, wenn der Betroffene schweigt. Nach einem anerkannten Grundsatz unserer Rechtsordnung muss mit oder ohne die Mitwirkung des Betroffenen den belastenden und den entlastenden Tatsachen mit gleicher Sorgfalt nachgeforscht werden. Über das rechtliche Gehör und die übrigen Einvernahmen sind Protokolle zu führen. Bei der Einvernahme von Konfliktpartnern und von Drittpersonen hat der Betroffene ein Teilnahmerecht und das Recht, Ergänzungsfragen zu stellen. Die Einvernommenen sind auf die Wahrheitspflicht und die Folgen eines falschen Zeugnisses, des weiteren auf ihre Zeugnisverweigerungsrechte und -pflichten (Wahrung von Amts- und Berufsgeheimnissen!) hinzuweisen. Am Schluss muss das gesamte Untersuchungsergebnis dem Betroffenen zur Stellungnahme unterbreitet werden. Der Untersuchende darf keine Privatperson, sondern muss eine Amtsperson sein. Die Protokolle müssen von einem Protokollführer erstellt werden. Es gelten die üblichen Ausstandsregeln sowie das Verbot des sogen. "Berichtens". Erst jetzt ist die Sache spruchreif. Der oben genannte Haftrichter kann seines Amtes walten.

 

 

Im Kanton Zürich existiert weder ein solches Untersuchungsverfahren noch ist es unserer Klientschaft in casu offeriert worden. Da demzufolge der einer Geisteskrankheit zugrunde liegende Sachverhalt beweismässig nicht gesichert ist, kann auch nicht auf eine solche Krankheit geschlossen werden, ergo gibt es auch nichts in die Anstalt einzuweisen. So einfach ist das. Die angerufenen Bestimmungen sind verletzt.

 

 

Im nachfolgenden Gerichtsverfahren lassen sich die Mängel nicht mehr beheben. Es ist notorisch, dass die Festnahme eines Menschen schwerwiegende Schockzustände auslösen und ihn in völlige Aufruhr versetzen kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Schutz der Freiheit ja auch in den Katalog der Menschenrechte aufgenommen worden. Die Symptome im Falle ihrer Einschränkung sind - wie ebenfalls notorisch ist - mit jenen, die den Schluss auf eine Geisteskrankheit zulassen, in vieler Hinsicht absolut identisch. Der Richter kann daher beim Verhalten und den Äusserungen, welche er bei der Anhörung des Betroffenen selber wahrnimmt, nicht mehr unterscheiden, ob der Zustand vorbestand oder ob er durch die Einschliessung hervorgerufen worden ist. Das zwingt ihn - wie noch darzustellen sein wird - selber eine gehörige und formgerechte Untersuchung über die Vorgeschichte nachzuholen.

 

 

5. Art. 5 Ziff. 2 EMRK, Art. 4 BV und Art. 397e Ziff. 1 ZGB sind verletzt worden.

 

Unsere Klientschaft ist weder über die Gründe ihrer Festnahme noch über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet worden. Gemäss Art. 397e Ziff. 1 ZGB muss die Unterrichtung in einem Entscheid erfolgen.

 

 

Ein solcher Entscheid muss sämtliche Tatsachen auflisten. Die Aussagen der verschiedenen Beteiligten und Zeugen müssen gegeneinander abgewogen werden (Beweiswürdigung). Alsbald muss erklärt werden, welche relevanten Tatsachen eine Geisteskrankheit begründen. Da dieser Begriff - wie schon angedeutet - heftigst umstritten ist, sind sämtliche Lehrmeinungen - insbesondere auch die abweichenden! - anzuführen und es ist alsbald festzustellen, welcher man den Vorzug gibt und warum. Diese umfassende Begründungspflicht folgt aus der Schwere des Eingriffs. Sie zwingt nicht nur den Richter, sich selber genaue Rechenschaft über sein Urteil abzulegen, sondern sie versetzt den Betroffenen auch in die Lage, die Gründe nachzuvollziehen, sich von ihnen überzeugen zu lassen oder aber seine Verteidigung und seine Gegenargumente vorzubereiten.

 

 

In der vorliegenden Sache kann weder von einer gehörigen Unterrichtung noch einem ebensolchen Entscheid die Rede sein.

 

 

6. Art. 5 Ziff. 4 EMRK und Art. 397f Abs. 1 ZGB verpflichten Sie, eher als tunlich über die Rechtmässigkeit der Haft zu entscheiden. Dazu gehört auch die Mitteilung des Entscheids. Je nach Komplexität des Falles haben Sie eine Frist von einer bis zwei Wochen. Darauf werden Sie hiermit aufmerksam gemacht. Ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren entbindet Sie nicht von der Wahrung der Frist.

 

 

7. Art. 5 Ziff. 4, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 397f Abs. 1 ZGB fordern ein kontradiktorisches Verfahren. Die Kontradiktion gewährleistet die vertiefte Behandlung einer Sache. Wenn nur eine Partei begründen muss, warum sie nicht in die Anstalt gehört, bleibt vieles auf der Strecke. Erst der Widerspruch fordert heraus. Die Anwesenheit einer oder mehrerer Gegenparteien bietet den weiteren Vorteil, dass diese den Widerspruch zur Kenntnis und ihn - falls er sie überzeugt - zum Anlass nehmen können, die Beschuldigungen gemäss Art. 5 Ziff. 2 EMRK zurückzuziehen bzw. den Betroffenen zu entlassen.

 

 

In die Parteirolle gehören im Gerichtsverfahren zwingend die Anstalt und jene Personen, welche unsere Klientschaft anschuldigen und ihre Einweisung verlangen. Aus der Abwesenheit einer solchen Partei ist der Verzicht auf Anschuldigung bzw. Zurückbehaltung zu schliessen.

 

 

7. Art. 5 Ziff. 4, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 397f Abs. 1 ZGB werden verletzt, falls Sie keine öffentliche Verhandlung durchführen und das Urteil nicht öffentlich verkünden.

 

Die Umstände, welche zu einem zivilrechtlichen Freiheitsentzug führen, müssen in jedem einzelnen Fall der öffentlichen Kontrolle zugänglich gemacht werden. Alles andere ist verpönte Geheimjustiz. Dass die gerichtliche Überprüfung die Persönlichkeits- und Intimsphäre der Betroffenen berührt, ist weniger schwerwiegend, als die Machtmissbräuche, die unweigerlich mit einer Geheimjustiz verbunden sind. Die Öffentlichkeit muss gleich wie im Strafprozess gewährleistet sein. Auch dort werden die Umstände der Festnahme und die Sphären der (möglicherweise unschuldigen) Angeklagten öffentlich ausgebreitet.

 

 

1988 hat das Bundesgericht die Geheimjustiz im Bereich der Zwangspsychiatrie abgesegnet. Im Sommer 1989 hat es indessen in einem solchen Fall selber eine öffentliche Verhandlung durchgeführt und die Berichterstattung darüber zugelassen (TA vom 14.7.1989).

 

Ein psychiatrischer Etikettenschwindler fände zum casus, der elegante Bocksprung markiere hübsch den schizoiden Charakter der schweizerischen Recht(s)-sprechung im wörtlichen Sinn der Eigenschaft. Ein Jurisprudenter attestierte dem Bundesgericht Meisterschaft im venire contra factum proprium. Und was meint wohl der weise Volksmund? Die mached sowieso, was s'wänd.

 

 

Der Defätismus ist fehl am Platz, wackere Eidgenossen! Die Sache sieht so schitter nicht aus. Jedes Herrschaftssystem rinnt wie eine Zaine. Man muss nur die Rinnen kennen. PSYCHEX (vom südländischen use us de Psychi, zu Deutsch: Raus aus dem Irrenhaus!) kennt sie.

Fortsetzung

 

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