ßßHome   |    ß Zurück

Edmund Schönenberger

[Das Einmaleins der Herrschaft:]
Revision des schweizerischen Vormundschaftsrechts


Rückblick

Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass die Menschheit schon immer hierarchisch organisiert gewesen ist. An der Spitze standen die Tyrannen, Diktatoren, Kaiser und die übrigen gekrönten Häupter. Höhepunkt bildete die von den Regenten des ausgehenden Mittelalters entwickelte These des Absolutismus: Die Könige herrschten von Gottes Gnaden absolut über ihre Untertanen.

Aufklärung und franz. Revolution haben dem Spuk ein Ende zu bereiten und die Menschen zu gleichen freien Brüdern zu machen versucht. Eine Totgeburt - wie man nach über 200 Jahren Experimenten mit dieser Formel ohne jeden Zweifel feststellen muss. Der Mensch ist und bleibt von Natur aus ganz offensichtlich, was die Römer und Hobbes schon auf den Punkt gebracht haben: homo homini lupus - der Mensch ist des Menschen Wolf. Die Menschen sind Konkurrenten und jeder will sich über den anderen erheben, ihn dominieren. In diesem Gerangel um die Herrschaft boxen sich die Skrupellosesten an die Spitze der Pyramide.

Auch über die Schablone, "aber wir haben doch keine Könige mehr, sondern die Demokratie, das Volk herrscht, es ist der Souverän" kann man nur noch müde lächeln.

Es ist längst nachgewiesen und wird von niemandem mehr, der nicht Macht ausübt oder scharf darauf aspiriert, ernsthaft bestritten, dass das Volk lediglich über die Nebensachen, beispielsweise über das Kanalisationssystem, und damit buchstäblich über seine eigene Scheisse herrscht. Die Hauptsache, die Unternehmertätigkeit der Mächtigen, mit welcher sie die Welt auf den Kopf gestülpt und das Leben aller umgekrempelt haben, fällt in deren ausschliessliche Entscheidungskompetenz.

Die Souveränität der Schweizer zerplatzt wie eine Seifenblase:

Definitionsgemäss kann nämlich als der Souverän nur gelten, wer sämtliche Machtmittel kontrolliert. Das Medium, welches unbestreitbar die Welt regiert und alle antreibt, heisst Geld. Der scharfe Blick in die schweizerische Verfassung deckt schonungslos auf, dass eben gerade nicht das zum "Souverän" deklarierte Volk die seit Adam und Eva gehorteten und über die jährlich abgepressten Zinsen und Zehnten ins Unvorstellbare gesteigerten Vermögen besitzt, nein, die Verfügungsmacht über die astronomischen Summen bleibt ausdrücklich einer kleinen Schar von Eigentümern vorbehalten.

Nicht nur faktisch, sondern auch von Verfassungs wegen präsentiert sich die Schweiz somit einwandfrei als Diktatur der Reichen, als Musterplutokratie. Ein jämmerliches Volk von Bettlern hütet den Thron, übers Ohr gehauen und geknechtet von den mit dem Reichsschatz durchgebrannten Herren! (Umfassende Analyse siehe http://edmund.ch/m0.html oder www.demokratie.ch.vu).

Das System der "Demokratie" ist keineswegs eine Schöpfung des Volkes gewesen, sondern von den durch die Revolutionen vorübergehend Verjagten und sich wieder Aufgerappelten sowie von den neu sich an die Macht drängenden Rädelsführern ausgeheckt worden.

Ein scheinbarer Geniestreich!

Aus nüchterner zeitlicher Distanz betrachtet hat sich jedoch alles ziemlich folgerichtig entwickelt. Das Hauptproblem jedes Herrschers, zumal nach den Fanalen der Revolutionen, ist seine fürchterliche Angst, um seinen Kopf gekürzt zu werden. Was lag daher näher, als sich in den Untergrund zu verkriechen, dort die sociétés anonymes - die Aktiengesellschaften - zu gründen, das Volk mit lauter nebensächlichen Kompetenzen in den Palast zu stossen und sich die Hauptkompetenzen - Handels-, Gewerbe- und Eigentumsfreiheit - unverfroren sogar noch verfassungsrechtlich garantieren zu lassen.

Kein Gemeiner war beim allgegenwärtigen Geschnorr über Freiheitsrechte, Wahlen, Abstimmungen, Referendum, Verfassungs- und Gesetzesinitiativen in der Lage, eben dieses Kernstück des epochalen Betrugs, welches alle "demokratischen" Elemente einer Verfassung zu Makulatur verkommen lässt, aufzudecken. Und die Nutzniesser haben selbstverständlich eisern geschwiegen.

Das Einmaleins der Herrschaft

Die Mächtigen scheffeln heute Geld und potenzieren damit ihre Macht, indem sie auf Teufel komm raus produzieren und zum Konsum verführen. Um ihre Diktatur abzusichern, braucht es effiziente Herrschaftsinstrumente. Das Burgtor der Plutokraten hängt an zwei mächtigen Angeln: Der Strafjustiz und der Zwangspsychiatrie. Wer nach dem Golde der Reichen gräbt oder sich dem Produktions-, Konsum- und Abfallbeseitigungsprozess verweigert, wird in eine der ungezählten Anstalten versenkt und mit heimtückischen Nervengiften gefoltert.

Eine dieser Angeln, die Zwangspsychiatrie samt Zuliefersystem, soll nun plötzlich reformiert werden.

Warum?

Auch hier wird ein archaischer Reflex umgesetzt. Die Herrscher der Vergangenheit haben peinlich darauf geachtet, nur im bestem Lichte zu erscheinen und unter allen Umständen zu verdecken, dass sie - falls nötig - bereit waren, jederzeit über Leichen zu schreiten, wenn es darum ging, ihren Thron zu retten. Es hat, wie wir inzwischen wissen, nichts genützt. Nachdem die Gräueltaten von der Geschichtsschreibung ans grelle Tageslicht gezerrt oder sonst ruchbar geworden sind, haben alle vergangenen Epochen ihren Glanz jäh verloren. Man spricht nicht ohne triftigen Grund nur noch vom finsteren Mittelalter. Es ist absehbar, dass in ein paar Jahrhunderten auch die heutige Neuzeit diesem nahtlos zugerechnet werden wird.

Als Zeitzeuge über die letzten sechs Dezennien, wovon die Hälfte in der Funktion eines Anwalts der Straf-, psychiatrisch oder sonstwie Verfolgten, stelle auch ich - wie schon Tucholsky - fest, dass noch alles beim Alten ist. In den 70-er, 80-er und 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts habe ich hautnah mitverfolgen können, wie die öffentliche Propaganda in den höchsten Tönen über die freiheitliche, rechtsstaatliche und demokratische Schweiz geflötet hat. Beobachtet habe ich jedoch nichts als die sich jagenden Verbrechen gegen die Menschenrechte. Dass ich mich erdreistet habe, die Täter an den Pranger zu stellen, wurde mit Berufsverbotsverfahren und Ähnlichem quittiert.

Heute bekomme ich plötzlich recht! Die Spatzen pfeifen's längst von allen Dächern, dass sich da Schauerliches hinter hermetisch verschlossenen Toren abgespielt hat. Menschen wurden aus nichtigen Anlässen ihrer Freiheit beraubt und mit heimtückischen Nervengiften gefoltert, häufig sogar lebenslänglich. Stellen wir diese damals rundweg verleugneten und heute unversehens als revisionsbedürftig bezeichneten Praktiken in den grösseren Zusammenhang, wird evident, dass sie einzig dazu dienten, die aktuelle plutokratische Herrschaft abzusichern und nichts, aber auch gar nichts damit zu tun gehabt haben, was lauthals verkündet worden ist, nämlich, man wolle für ach so arme, kranke Geschöpfe im geschützten Rahmen einer psychiatrischen Klinik sorgen. Die an ihnen statuierten scharfen Exempel waren lediglich geeignet, alle in Schach zu halten (Spezial- und Generalprävention).

Neuer Wein in alten Schläuchen

Nun soll also aufgeräumt werden. Es soll niemand mehr entmündigt, niemand mehr ein Leben lang in einer Anstalt versenkt, niemand mehr gegen seinen erklärten Willen zwangsbehandelt werden.

Die neue Sprachregelung heisst Erwachsenenschutz, fürsorgerische Unterbringung in einer Einrichtung (sic!), medizinische Massnahme, Patientenverfügung.

So werden nun also die von den Herren über die Untertanen gelegten Ketten getarnt!

Ich brauche kein Prophet zu sein, um jetzt schon sagen zu können, dass bereits am Tage nach der Inkraftsetzung des neuen Gesetzes der erste Betroffene über alle diese Begriffe hell empört sein wird. Und nach einer, zwei oder drei Generationen wird auch wieder offiziell eingeräumt werden, dass nicht alles rund gelaufen sei. Es wird dann erneut nach unverfänglichen Vokabeln Ausschau gehalten werden müssen.

Folter bleibt Folter

Ich erspare mir den Verdruss, auf alle Details der Revision einzugehen. An einem einzigen Beispiel, nämlich den neu vorgesehenen "medizinischen Massnahmen", kann ich sofort aufzeigen, dass die Revisoren in keiner Weise von lauteren Absichten gelenkt werden.

Seit Mitte des letzten Jahrhunderts hat sich eingebürgert, in die psychiatrischen Anstalten versenkte Menschen mit heimtückischen Nervengiften vollzustopfen. Wer die Einnahme verweigert, wird von Aufgeboten von bis zu einem Dutzend Pflegern niedergerungen und es wird ihm die chemische Substanz mittels einer Injektionsnadel in den Körper gepumpt. Fragt man Menschen, welche ihrer Freiheit sowohl in einem Zuchthaus als auch in einer psychiatrischen Anstalt beraubt worden sind, welches das grössere Übel sei, ist es mit Garantie letzteres. Fragt man Zwangspsychiatrisierte, was schlimmer zu ertragen sei, die Beraubung der Freiheit oder die Zwangsbehandlung, kommt wie aus der Pistole geschossen die Antwort: Die Zwangsbehandlung. Die Betroffenen sprechen entweder von sich aus oder aber jedenfalls auf Befragen offen von Folter.

Wer nun ist legitimiert, die Frage zu entscheiden, ob die Zwangsbehandlungen mit Nervengiften Folter seien - die Täter oder die Opfer?

Die Antwort liegt auf der Hand. Zuständig sind die Opfer und auf keinen Fall die Täter. Erinnern wir uns: Die Deutschen haben vor und während des [2.] Weltkriegs und vereinzelt sogar noch nachher die Vorwürfe der Opfer kategorisch bestritten, gefoltert zu haben. Das in den Konzentrationslagern herrschende Regime wurde mit eugenischen Motiven gerechtfertigt und erst nach der Niederlage Hitlers auch in Deutschland zögerlich als Gräuel gebrandmarkt. Die Opfer haben also erst im Nachhinein recht bekommen.

Über kurz oder lang wird feststehen, dass auch die Zwangspsychiatrie gefoltert hat und noch heute foltert. Das Urteil der Geschichte ist unerbittlich.

Jeden kann es treffen

Wer sich anheischig macht, das Vormundschaftsrecht zu verbessern und nicht vorher klar bekennt, dass die Menschen in den schweizerischen psychiatrischen Anstalten systematisch gefoltert worden sind und noch werden, beweist, dass er mit der Vergangenheit nicht brechen, sondern die alten Methoden fortsetzen will.

Haben nun schweizerische Gerichte oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, welche Institutionen alle der Täterseite zuzurechnen sind, weil sie mit ihren Entscheiden die Folter abdecken, einen solchen Vorwurf je gestützt? Wird in den Erläuterungen zur Revision auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verloren?

Nein!

Im Gegenteil! Die neu mit dem schlauen Begriff "medizinische Massnahme" verbrämte Folter ist ausdrücklich auch in Zukunft gestattet. Die Aufgebote werden in den zu "Einrichtungen" umbenannten Anstalten weiterhin zusammengetrommelt werden. Was diesen springenden Punkt anbelangt, was also die Opfer am meisten trifft, daran ändert sich rein gar nichts. Auch nicht durch das angebotene Zückerchen: Mit einer Patientenverfügung sollen neu Urteilsfähige eine Zwangsbehandlung verhindern können.

Das Bundesgericht hat in einem jüngsten Entscheid umschrieben, wann ein Mensch als urteilsunfähig gilt. Neben abstrakten, nicht justiziablen Argumenten hat es zur Stützung seines Entscheids, der damals Betroffene sei urteilsunfähig gewesen, eine einzige Auffälligkeit konkret benannt: er habe einen Schlüssel im Loch einer Decke bzw. im Mund versteckt (BGE vom 22.3.2001 i.S. P. gegen PUK Basel, S. 17). Damit haben sich die hohen Richter nicht weniger als ihrer eigenen Urteilsfähigkeit beraubt; denn es muss doch jedem nur halbwegs vernünftigen Menschen sofort einleuchten, dass Zwangspsychiatrisierte an nichts anderes als an Flucht denken (darum ja auch die ausbruchsicheren Anstalten) und ein Schlüssel für die Flucht selbst oder am Fluchtort überaus nützliche Dienste leisten kann.

Klar ist jedenfalls jetzt schon, dass niemand vor "medizinischen Massnahmen" gefeit ist. Ausnahmslos alle können - "weil es Uns so gefällt" - kurzerhand entweder vorübergehend oder dauernd als "urteilsunfähig" deklariert, ergo problemlos zwangsbehandelt und somit gefoltert werden.

Zwei Details des Entwurfs manifestieren den bösen Glauben der Gesetzesschmiede optimal.

Zunächst einmal muss eine Patientenverfügung schriftlich vorliegen.
Warum so umständlich? Wer nämlich seine Bürger wirklich schützen will, dem kann spontan nur ein tauglicher Satz einfallen:

 

Es wird vermutet, dass niemand sich zwangsbehandeln lassen will.

Das ist doch wohl sonnenklar!

Sodann wird die Patientenverfügung im Entwurf alsogleich wieder ausser Kraft gesetzt:

 

Art. 373 Abs. 3 VE
Bestehen begründete Zweifel daran, dass die Patientenverfügung dem mutmasslichen Willen der betroffenen Person entspricht oder auf freiem Willen beruht, so hat sie keine Wirkung.

Wer weiss, welche Hasen die Justiz bei solchen Gummiparagraphen aus dem Hut zu zaubern vermag, kann sich die Mühe, eine Verfügung überhaupt zu errichten, sparen und eine bereits bestehende glatt zerreissen.

Warum so kompliziert, wenn es doch viel einfacher geht?

Es wäre daher gescheiter und ehrlicher, das zu revidierende Gesetz auf die folgenden vier Bestimmungen zu reduzieren:

 

 

Art. 1
Der Mensch ist weder gleich noch gerecht. Jeder will besser sein als der andere.

Art. 2
Im ewigen Gerangel um die Herrschaft setzen sich die Skrupellosesten durch.

Art. 3
Um ihre Herrschaft zu sichern, sind sie bereit, über Leichen zu schreiten.

Art. 4
Wer sich ihren Befehlen widersetzt, wird in eine Anstalt versenkt und gefoltert. Eine Entlassung kommt erst in Frage, wenn der Renitente wieder willig ist.

anno domini MMIII

 

Bei dieser sich mit der Realität deckenden "Rechtslage" weiss jeder haargenau, woran er ist. Die Täter müssen nicht mehr wie gedruckt lügen und die Opfer verlieren keine Zeit und Energien, um nach nicht existierenden Menschen- und anderen Rechten zu schreien.

Die Demaskierung der Mächtigen und das für einen effizienteren Widerstand frei werdende Potential der Niedergedrückten ist der einzig mögliche echte Fortschritt...

Edmund Schönenberger
3. Juli 2003